Prozessbewusstsein statt Prozessorientierung

„Prozesse sind Mist!“ – dieser Ausruf einer Professorin kommt mir häufig in den Sinn. Detailreiche Darstellungen und Methoden, quadratmetergroße Plots mit briefmarkengroßen Prozesskästchen sind Belege für ein falsches Umgehen mit Prozessen. Da wundert es nicht, wenn ich auf Manager treffe, die Prozessgestaltung mit zu viel Regulierung verwechseln. Denn dann sind sie wirklich Mist.

Es gibt Situationen, in denen die Detailmodellierung und -beschreibung von Prozessen äußerst sinnvoll ist. Komplexe Fertigungsprozesse erfordern einen hohen Durchdringungsgrad, sonst sind sie zu teuer. Sicherheitskritische Abläufe, das Betreiben eines Atomkraftwerks und das Fliegen eines Flugzeugs hätte ich gern im Detail geregelt.

Wenn es aber um den Alltag der beruflichen Praxis geht, ist eine Detailmodellierung aka BPMN oder EPK häufig zu viel des Guten. Meist endet es in der bekannten „Schrankware“.

Also weg mit den Prozessen?

Seit vielen Jahren ist mir der Begriff der „Prozessorientierung“ suspekt. Er rückt etwas in den Mittelpunkt, was besser gleichwertig mit seinen Nachbarn betrachtet wird: Organisation und Verantwortung, Produkte und Dienstleistungen haben im Bestreben nach Effizienz und Effektivität die gleiche Wichtigkeit.

Also besser keine Prozessorientierung! Aber wie dann Umgehen mit dem Thema?

Die drei Steinhauer

Die bekannte Geschichte der drei Steinhauer, die der gleichen Tätigkeit mit verschiedenen Vorstellungen vom Ergebnis nachgehen, zeigt uns auf fabelhafte Weise die Wirkung von Ergebnisbewusstsein. Es ist motivierend, zu wissen, wozu ich beitrage. Vielleicht ist es auch ernüchternd, festzustellen, welch geringen Anteil mein Beitrag hat. In jedem Fall hilft es mir, mich und meinen Beitrag im großen Ganzen zu verorten.

Quelle: http://www.unendlichgeliebt.de/2011/02/20/eine-geschichte-auf-die-vision-kommts-an/

Prozessbewusstsein – eine Geschichte

Stellen wir an die Seite einiger Maurer und ihres Bauleiters, die uns vom Ablauf ihrer Arbeit erzählen und hören ihnen zu.

Der erste erzählt uns: „Ich nehme Steine aus dem Paket da und schichte sie mit einem bestimmten Versatz auf, so dass eine stabile Mauer entsteht. Die Vorgaben für die Mauer erhalte ich aus der Zeichnung da. Ich achte dabei auf die gleichmäßige Breite der Fugen und das richtige Verhältnis der Zutaten zum Mörtel, den ich in der Maschine dort mische.“

Der zweite erzählt uns: „So mache ich das auch. Früher passierte es übrigens, dass die Steine, der Zement und der Sand zu weit von uns gelagert werden, unser Aufwand stieg dann deutlich. Da ich die Kollegen vom Lieferanten ganz gut kenne, sage ich seitdem immer vorher Bescheid, wo angeliefert werden soll. Seitdem haben wir keine Probleme mehr. Neulich habe ich übrigens Kollegen aus den anderen Gewerken kennengelernt. Jetzt weiß ich wie sehr unsere Mörtelreste diese bei ihrer Arbeit behindern. Seitdem wir unsere Reste nach getaner Arbeit entsorgen, sind wir beste Freunde“.

Der dritte fügt hinzu: „Ich mache die gleiche Arbeit wie meine Kollegen. Es ist gut, zu wissen, von wem unser Material kommt und wer die Ergebnisse unserer Arbeit weiter verarbeitet oder nutzt. Manchmal kommt es auch vor, dass wir unser Material nicht rechtzeitig erhalten oder unser Auftrag unklar ist. Früher mussten wir der Klärung dann selbst hinterherrennen. Jetzt haben wir mit unserem Polier Karl abgemacht, dass er sich rechtzeitig darum kümmert. Auch wenn manchmal besondere Wände zu erstellen sind, gibt er uns vorher Bescheid und klärt uns auf, wie wir mauern müssen. Seitdem können wir uns voll auf unsere Arbeit konzentrieren und viel Ärger von früher ist passé.“

Da kommt der Bauleiter des Weges und bleibt stehen. „Läuft bei uns!“ sagt er und lacht. „Meine Aufgabe ist es, die einzelnen Tage zu planen. Ich ordne die Kollegen den anstehenden Arbeiten zu. Ich gehe auch mal rum und schaue, wie weit wir schon gekommen sind. Und ob die Qualität unseren Zusagen entspricht. Unsere Kollegen hier wissen, dass immer mal was durchrutschen kann. Sie sehen das eher als doppelten Boden denn als Kontrolle. Und zu guter Letzt sorge ich dafür, dass unsere Ergebnisse vom Kunden abgenommen werden und wir uns intern von Zeit zu Zeit darüber unterhalten, was wir in unseren Abläufen noch besser machen können“.

Grundelemente des Prozessbewusstseins

Der erste Kollege zeigt uns zunächst drei wesentliche Elemente des Bewusstseins: welche Materialien und Informationen er als Input nutzt und wie er sie verarbeitet. Schließlich kennt er das erwartete Ergebnis (Output) und die geforderte Qualität.

Drei Grundelemente: Input, Verarbeitung und Output
Quelle: https://andreas-hestermeyer.de

Schließlich vergisst er nicht, die Hilfsmittel zu nennen die er nutzt und, klar doch, weiß, dass er selbst zu den im Prozess tätigen gehört. Hierbei erkennen wir schon drei verschiedene Arten von Prozesselementen: Informationen und Materialien, Verarbeitungsschritte und Menschen.

Hilfsmittel und Mitarbeitende gehören zu den Grundelementen.
Quelle: https://andreas-hestermeyer.de

Der zweite Kollege geht einen Schritt weiter und baut Beziehungen zu Lieferanten und den weiteren Verwendern der Arbeitsergebnisse auf – nennen wir sie Nutzer.

Quelle: https://andreas-hestermeyer.de

Der dritte Kollege erläutert uns die Arbeit des Poliers: der übernimmt Verantwortung für den Prozess, sorgt dafür, dass alle Materialien und Informationen da sind und der Auftrag richtig verstanden wurde. Und der die Vorgehen und Methoden der Verarbeitung vermittelt, falls sich diese ändern.

Quelle: https://andreas-hestermeyer.de

Vorbereitung, Begleitung und Abschluss

Der Bauleiter schließlich weißt uns auf etwas ganz anderes hin: er zeigt uns auf, wie er die Wertschöpfung der Maurer vorbereitet, begleitet und schließlich abschließt. Das Bewusstsein zu diesen Prozessen komplettiert das Prozessbewusstsein.

Quelle: https://andreas-hestermeyer.de

Auf dieser Basis kann Zusammenarbeit verbessert, jeder einzelne Prozess optimiert und letztlich agiles Handeln im geschaffenen Rahmen etabliert werden. Darauf komme ich zurück.

Prozessbewusstsein beantwortet die folgenden Fragen:

  • Wo fängt der Prozess an (Input), wo hört er auf (Output)?
  • Von wem kommt der Input, von wem der Output?
  • Welche Hilfsmittel stehen bereit und wer wirkt mit?
  • Welche Mitwirkenden gibt es?
  • Wer ist verantwortlich, wenn etwas im Prozess nicht funktioniert (z.B. fehlender Input, unklarer Auftrag, unklares Vorgehen)?
  • Ist dies ein vorbereitender, ein begleitender, abschließender Prozess? Oder eine interne oder externe Wertschöpfung, in der der Nutzer des Ergebnisses auch der Besteller – der Kunde – ist?

Prozessbewusstsein – darauf kommt es an. Nicht auf die noch so detaillierte Modellierung jedes Ablaufs im Unternehmen.

Ein Computer? Was? Faszinierend!

Es packte mich wohl 1975: in unserer Schule war ein WANG 2200 System angeschafft worden. Die älteren durften schon allein darauf programmieren – ich BRANNTE darauf, auch endlich dran zu kommen.

Ich kann mich nicht genau erinnern, wie es dann tatsächlich losging. Mein Mathematiklehrer, Herr Pischel, hat mir den Umgang mit dem Rechner beigebracht. Ein Programm, richtig geschrieben, tat was ICH wollte. Hat das vielleicht mit mit Macht zu tun? Es ist mindestens das Gefühl des Ingenieurs, der eine funktionierende Maschine baut.

Mit einem Computer war es aber wohl noch mehr: es war universell. Keine an einen festen Zweck gebundene Maschine. Heute konnte man ein Spiel programmieren, morgen eine Berechnungssoftware für den Satz von Pythagoras. Und es war jedenfalls absolut faszinierend, dass ich damit quasi aus dem Nichts Sachen erschaffen konnte.

10 for i = 1 to 10
20 print i
30 next i
run

So ähnlich müssen meine ersten Gehversuche ausgesehen haben. Von jetzt an wurden die Schultage etwas länger. Und – Gott sei dank – gingen wir damals ja auch noch Samstags zu Schule und man konnte jetzt diesen Tag auch noch nutzen.

Ein kurzes Video auf YouTube zeigt den Computertyp, auf dem ich „laufen“ gelernt habe.

Wer einmal in das Handbuch schauen möchte, ist herzlich eingeladen. Es sind historische Dokumente der Zeit, die den Umgang mit den ersten Universalmaschinen dokumentieren.

Das nächste Gerät, dass ich kennen lernte war ein Apple ][. BASIC als Programmiersprache wurde schnell langweilig. Mehr Möglichkeiten hatte man mit ASSEMBLER – der Sprache, in der man das Herz des Computers, den Prozessor, direkt programmieren konnte.

Wir waren inzwischen eine kleine Gruppe von drei Jungen, die sich über den Unterricht hinaus für die Programmiererei interessierten. Auf dem WANG war schon eine größere Software zur Stundenplanverwaltung entstanden, die übertrugen wir nun auf den Apple. 64 KB statt 16 KB – das war schon etwas! Ein Kilobyte Speicher sind übrigens nicht 1000 Byte sonder 210 = 1024 Byte.

Der Apple ][ war schon etwas Besonderes.

Mit 17 oder 18 Jahren hatte ich genügend Geld für einen eigenen Rechner gesammelt, es wurde ein „VideoGenie“ EG3003 von EACA. Der hatte statt des 6502 Prozessors vom Apple ][ einen Z80 Prozessor. Während meiner Bundeswehrzeit hatte ich genügend Muße, um das interne Laufzeitprogramm inkl. des BASIC-Interpreters von Maschinencode in Assembler zu übersetzen – manuell!

Hier eine australische Kopie, die in einem ausführlichen Video auf YouTube dargestellt wird.

Ich vergesse nicht, wie ich nach einem Defekt an diesem Computer mit sehr nervösen Händen ein „IC“, ein „Integrated Circuit“ austauschen musste. Dabei lernte ich auch mit der „Hardware“ umzugehen – ein Umstand, der mit Studium noch finanziell zugute kommen sollte.

Als ich 1982 mein – klar doch – Informatik-Studium in Braunschweig startete, hatte ich rasch einen Programmierer-Job bei einem jungen Mann, der ebenfalls noch Student war. Die Aufgabe war, eine Übersetzungssoftware zu schreiben. Das Problem ist bis heute nicht gelöst, aber was solls. Mir hat es einige Zeit mein Studium gut finanziert. Ich arbeitete auf einem Motorola 6809-basiertem Computer von Smoke Signal Broadcasting mit OS9 Betriebssystem. Die einzelnen „Boards“ in dem Computer sehen ungefähr so aus:

Image: Wikipedia
Ein South-West-Technical-Products-Corporation Computer. 6800 oder 6809 CPU, 64 oder 256 KB RAM.

To be continued …